Gelesen: „Der Fluch des Puppenmachers“ von Dahlia von Dohlenburg

Der Fluch des Puppenmachers von Dahlia von Dohlenburg ist wunderschön und poetisch und erzählt die Geschichte einer mysteriösen, großen Liebe, die nicht sein kann.

Puppenmachers Klappentest

Eine verregnete Nacht auf einem Jahrmarkt.
Das düstere Zelt einer Wahrsagerin.
„Der Puppenmacher wird dich holen!“

Es ist Jahre her, dass Ben zum letzten Mal an diese Worte gedacht hatte. Und an das junge Mädchen, dem die Wahrsagerin die Prophezeiung zugeraunt hatte. Das junge Mädchen, das seine erste große Liebe war und dessen Leiche man am nächsten Tag in einem Straßengraben fand.

Die Erinnerungen kommen erst wieder hoch, als er Jamie sieht: eine filigran gearbeitete Porzellanpuppe, die dem Mädchen von damals erschreckend ähnlich sieht. Immer wieder kommt er in den Puppenladen, um Jamie zu sehen und schließlich überzeugt er den Puppenmacher Coppola, ihm die eigentlich unverkäufliche Puppe zu überlassen.

Beim ersten Sonnenuntergang muss Ben schließlich erkennen, dass es sich tatsächlich um keine gewöhnliche Puppe handelt: Jamie erwacht zum Leben. Doch das ist nicht die einzige Überraschung, denn trotz Rüschenkleid und Korkenzieherlocken ist Jamie kein hübsches Mädchen …

Zum Buch

Perspektive: Ich-Perspektive; der Roman wird komplett durch Bens Augen erzählt.

Bens Leben ist … normal. Er hat eine Verlobte, mit der sich wohlfühlt, einen Job, den er nicht hasst. Ein Tag wie der andere. Sein Leben plätschert dahin, bis der Puppenmacher Coppola in die Stadt kommt und Ben bei ihm die lebensgroße, wunderschöne Porzellanpuppe eines Mädchens sieht. Der Anblick reißt traumatische Erinnerungen auf, von denen Ben bisher nicht einmal wusste, dass sie existieren. Sein Leben verändert sich, und das nicht nur, weil die Puppe – Jamie – nachts zum Leben erwacht und kein süßes Mädchen, sondern ein ebenso schöner junger Mann ist.

Mich hat der Klappentext gleich schon in seinen Bann geschlagen, und die ersten Seiten waren so wunderbar poetisch, dass ich den Roman nicht mehr aus der Hand legen mochte. Einmal abgesehen von der schönen Sprache hat mich die Geschichte aber auch schnell fesseln können. Gekonnt webt Dahlia von Dohlenburg die Gegenwart mit der Vergangenheit zu einem wunderschönen Ganzen, das mich in seinen Bann geschlagen hat. Ruhige, sanfte Momente mit Jamie wechseln sich mit mysteriösen Erinnerungsfetzen und Visionen ab und nichts scheint so zu sein, wie es auf den ersten Blick aussieht. Ich habe Seite um Seite verschlungen, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, das sich um Jamie, die Puppe und Jamie, das Mädchen rankt, wollte wissen, wie aus den scheinbar verwirrenden Antworten doch noch ein Puzzle werden konnten, wollte wissen, wie die Geschichte ausgeht und ob Jamie und Ben glücklich werden können.

Die Auflösung hat Dahlia von Dohlenburg sicher und gekonnt herbeigeführt, sie hat alle Stränge geschickt verknüpft und mich mit einem wunderbar warmen Gefühl im Bauch zurückgelassen.

Das Buch ist geheimnisvoll, lädt zum Miträtseln ein, verwebt Nostalgie, Romantik, einen Hauch Grusel und etwas Magie zu einem dichten Teppich.

Die Figuren

Ben ist am Anfang ein wirklich durch und durch normaler junger Mann mit einem recht langweiligen und normalen Leben. Seine Verlobung ist eher folgerichtig als von Liebe geprägt, er arbeitet in dem Beruf, den sein Vater ihm besorgt hat und sieht einer Zukunft mit Reihenhaus, weißem Zaun auf grünem Rasen und 1,25 Kindern entgegen. Bis er Jamie begegnet, der sein Leben mehr als nur auf den Kopf stellt. Aus dem grauen Schatten wird ein neugieriger, liebevoller, liebender Mann, der sein Leben hinterfragt und bereit ist, für seine Liebe zu kämpfen.

Jamie ist … süß, weich, naiv, voller Lust am Leben, nachdem er Ben begegnet ist. Und er ist eine Puppe, sobald die Sonne sich erhebt. Eine empfindliche Porzellanpuppe, die ein winziger Kratzer, ein kleiner Sprung vollkommen vernichten und des Lebens berauben kann. Er liebt Ben mit süßer Hingabe, und ich wollte ihn dauernd nehmen und knuddeln und wuddeln. … auch wenn Ben bestimmt etwas dagegen gehabt hätte. 😉

Auch die Nebenfiguren erwachen mit kurzen, prägnanten Strichen zum Leben, die Eltern und die Schwester, die Verlobte … nur mit Coppola, dem Puppenmacher wurde ich nicht wirklich warm, was durchaus an seiner ambivalenten Rolle liegen kann.

Sex & Romance

Es gibt wunderschöne romantische Momente zwischen Ben und Jamie, alle voll sanfter Harmonie, auch wenn sie kurz davor stehen, miteinander zu schlafen. Sie haben Sex, doch es ist nicht wirklich ausgeschrieben, was ganz wunderbar zu diesem poetischen Buch passt.

Cover

Passt. Das Paar sieht nicht so aus, wie ich mir Jamie und Ben vorstelle, aber an schöne schwule Stockphotos heranzukommen, ist eine echte Herausforderung. Die gelockte Schönheit ist Jamie – das Mädchen, der junge Mann, die Puppe.

Fazit

Ich finde „Der Fluch des Puppenmachers“ wirklich schön und rundum gelungen – sowohl von der Geschichte, als auch von der Sprache her. Wer wilde Sexszenen und prickelnde Erotik sucht, wird hier nicht fündig. Wenn du aber Poesie und einen – im wahrsten Sinne des Wortes – traumhaften, traumartigen Stil sucht, sowie eine ungewöhnliche Geschichte, die ein wenig Gothic, ein wenig Fantasy und ein wenig Krimi sowie eine wunderbare Liebesgeschichte vereint, dann kommst du ganz auf deine Kosten.

Minimale Spoiler hinter dem Cut.

Die Geschichte hat ein wunderschönes Happy End, das zwar gerade nur das nötigste erzählt, aber durch so gewählte Worte, dass es einen wunderschönen Abschluss bildet.

Ich hätte noch viel mehr zu sagen, aber nicht einmal hinter dem Cut will ich spoilen, weil es dir das erste Rätsteln und Mitfiebern mit Ben und Jamie nimmt.