Aufgetaut von Regina Mars ist – ich zitiere aus der Buchbeschreibung – „das Frostschutzmittel fürs Herz“, warm, romantisch und wunderbar.
Klappentext
Als Henrik in das malerische Dorf Ebernau kommt, trägt er nicht nur einen Rucksack voll Geld mit sich, sondern auch ein bitteres Geheimnis. Seit einem Jahr empfindet er nichts mehr. Seine Gefühle sind vereist.
Bis er Nils trifft. Der rüttelt etwas in ihm wach, das er längst verloren glaubte. Leider hasst Nils Henrik und weigert sich obendrein, sein Skilehrer zu werden. Kann Henrik ihn umstimmen? Kann er sich zurück ins Leben kämpfen und vielleicht sogar … Nils‘ Liebe gewinnen?
Zum Buch
Perspektive: 3. Person; „Aufgetaut“ wird abwechselnd aus der Perspektive von Henrik und Nils erzählt.
Als Henrik in den Ski-Ort Ebernau kommt, geht es ihm dreckig. Merkt nur keiner, denn er hat einen Koffer voll Geld dabei, schmeißt direkt eine Party und steigt damit sofort zum Liebling aller auf. Jeder ihn für „cool“ – nicht für eingefroren, denn Henrik empfindet nichts, hat seine Gefühle nach einem traumatischen Erlebnis weggesperrt. Als einer seiner neuen Freunde herausfindet, dass er nicht Skifahren kann – und das in Ebernau! – setzt der es sich in den Kopf, Henrik einen Skilehrer zu besorgen und ruft seinen besten Freund an.
Auftritt Nils. Nils hasst alles, was reich ist und nach „oben“ gehört, denn sein Erzeuger hat seine Mutter geschwängert und dann sitzen lassen. Natürlich weigert er sich, Henriks Skilehrer zu werden, nachdem er auch nur einen Blick auf ihn geworfen hat, denn Henrik verkörpert alles, was er verachtet. Henrik hingegen weigert sich, die Ablehnung zu akzeptieren, denn Nils‘ „Was ist denn das für ein Arschloch?“ weckt einen winzigen Funken Gefühl in ihm, denn Ärger ist ein Gefühl, richtig? Und Gefühle sind gut.
Hartnäckig macht er sich daran, Nils davon zu überzeugen, dass er sein Skilehrer werden muss. Als die Jungs zu zweit während eines Schneesturms ins Henriks Chalet eingeschmeit werden, kommen sie sich näher. Aber „die von oben“ kommen ja nur her, um zu feiern, zu vögeln und dann wieder zu verschwinden.
Soweit zum Inhalt.
Das Prickeln zwischen den beiden Jungs ist sofort da, auch wenn es beide nicht bemerken. Nils, weil er alle „von oben“ gleich von vorneherein scheiße findet; Henrik, weil er so eingefroren ist, dass er nichts erkennt. Ich liebe, wie sie sich näher kommen. Ich liebe noch viel mehr, wie Nils Henrik mehrfach rettet – vor sich, vor dem Schneesturm, vor einer viel zu schweren Piste. Ich liebe auch, wie verständnisvoll und sanft er mit Henrik ist, auch als sie noch nicht zueinander gefunden haben. Und ich liebe, wie selbstverständlich mit seiner Nähe und tröstend er ist, als Henrik zusammenbricht. Ich liebe Henriks Überschwang, nachdem er wieder „aufgetaut“ ist. Sein „erst handeln, dann denken“. *g* Seine Offenheit mit seinen Gefühlen allen und jedem gegenüber, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ebernau ist eine Kleinstadt mit Dorfflair. Jeder kennt jeden, es gibt Klatsch und Tratsch, Wärme und Hilfsbereitschaft. Regina Mars hat dieses Feeling wunderbar eingefangen. Ebenso erzählt sie wieder mit allen Sinnen, das finde ich so wunderbar. Besonders Geräusche und Gerüche finde ich sehr prägnant.
Das Chaos und die Dynamik in Nils‘ Familie weckt sofort Wärme und den Wunsch, einfach mal in das kleine, schiefe Haus zu Besuch zu kommen, um mit Nils‘ Mama einen Kaffee zu trinken und zu quatschen. (Hey, sie ist in meinem Alter! 😉 ) Auch Henriks Familie wird in den Erzählungen lebendig.
Ich freue mich schon auf die nächsten Ebernau-Bände und hoffe, dass Marc und Josh (Nils‘ Brüder) auch eine schwule Liebesgeschichte bekommen. Und ich hoffe, dass Florian (der Sohn einer der Nebenfiguren) ebenfalls glücklich wird, das kleine stille Ding, auch wenn er nur ein paar Zeilen abbekommen hat.
Die Figuren
Nils ist groß, blond, breitschultrig, mit limettengrünen Augen. Ein fürsorglicher Junge, der sich liebe- und hingebungsvoll um seine drei kleineren Geschwister kümmert und seiner Mutter hilft, die drei großzuziehen und für sie zu sorgen. Er und seine Geschwister haben mit dem Stigma zu kämpfen, dass sie Bastarde sind – keiner der Väter hat sich je um sie gekümmert geschweige denn die Mutter geheiratet. Dazu sind sie so arm, dass sie sogar beim Heizen sparen müssen. Da hält Nils es lieber geheim, dass er noch dazu schwul ist. Denn in dem kleinen Kaff ist das niemand, und sie haben schon genug Probleme am Hals. Dumm nur, dass Henrik all seine Abwehr mühelos unterwandert.
Henrik ist in vieler Hinsicht das Gegenteil von Nils, denn er ist so reich, dass er mit Geld nur so um sich werfen kann. Alles an ihm ist warm, von seinen dunklen Locken, den kaffeebraunen Augen bis hin zu seinem Hautton. Nur sein Benehmen ist eingefroren und kalt und passt (am Anfang) bis auf kleine Lebensfunken nicht dazu. Nils geht ihm unter die Haut und taut den Eisblock in seinem Inneren, der das Monster eingefroren hat, dass Henrik um keinen Preis loslassen will. Doch um für Nils zu fühlen, muss er sich auch seiner Vergangenheit stellen, denn wie er feststellt, funktioniert das eine oder das andere nicht. Als er endlich wieder aufgetaut ist, ist er ein wunderbar warmer, fröhlicher, immer ein wenig vorschneller junger Mann.
Die Nebenfiguren wachsen einem wie gewohnt bei Regina schnell ans Herz – Nils‘ chaotisch-warme Familie, Moritz – Nils‘ bester Freund, Amelie und Eva, die für Henrik eine Art Katalysator darstellen, um sich selbst zu begreifen. Außerdem taucht die Privatdetektivin aus „Funkenflut“ wieder auf! Yeah!
Sex & Romance
Gibt es. Eine Menge. Ey, die Jungs sind eine Weile im Chalet eingeschneit. ;p Außerdem – yay! – denken sie an Gleitgel und Kondome (!), da Henrik sich nicht sicher ist, ob er sich im letzten Jahr was eingefangen hat. Leider wieder ein „erstes Mal“ mit Schmerzen, aber alas. Die Romantik macht es wieder wett. Die zwei sind zusammen einfach Zucker pur. Ganz besonders die Zeit im Chalet ist herrlich, aber auch sonst gibt es jede Menge fürs Herz. Hachmach!
Cover
Blonder Nils, der seinen lockigen Engel Henrik anschmachtet. Das ganze vorm verschneiten Fenster des Chalets. Passt (natürlich bei Regina Mars) perfekt.
Fazit
Du brauchst was für Herz? Dann bist du bei Aufgetaut genau richtig. Es gibt ein wenig Drama, aber das kommt nur zu einem Teil aus der Beziehung von Nils und Henrik. Sehr erfrischend, dass die Jungs es außerdem schaffen, über die Missverständnisse zu reden, sodass sie nicht lange zwischen ihnen stehen. Die Geschichte wird auch konsequent bis zum Ende hin aufgelöst und zeigt sogar noch ein wenig des Zusammenlebens von Nils und Henrik. Ich hoffe, dass man in den Folgebänden noch mehr von ihnen in Nebenrollen erfahren wird.
Spoiler hinter dem Cut.
Ich fand es zuckersüß, dass Eva und Amelie zusammenkommen, nachdem sie auf mindestens zwei Partys zusammen im Bett gelandet sind und sie sich jeweils (einmal im Roman, einmal im Rückblick) mehrfach zwischen die Flirtversuche der jeweils anderen mit einem Jungen geschoben haben. Hihi.
Außerdem mochte ich, dass es noch ein weiteres schwules Paar in Ebernau gibt, von dem Nils aber nichts weiß, hihi.
Hihi, Henriks Art, der Realität vorwegzueilen, ist ja wohl mal megasüß! Dass er gleich bei Nils‘ Familie mit Geschenken zum Vorstellungsbesuch auftaucht, obwohl er und Nils noch nicht mal darüber gesprochen haben, dass sie jetzt zusammen sind (das Liebesgeständnis war von Seiten Nils‘ von Flucht begleitet) und wie er sich gleich ihr gemeinsamenes Leben vorstellt, als er Nils seinem cholerischen Onkel vorstellt (obwohl sie auch noch nicht darüber gesprochen haben), ist herzallerliebst.